8. Dezember 2022

Ein Cinderella Molekül – Optimierte Syntheseroute zu Photolatenter Base – Ergebnis einer erfolgreichen Kooperation!

Es gibt viele Arten von „funktionellen Molekülen“ – z.B.: Farbstoffe, Katalysatoren, Inhibitoren, Hilfsstoffe, Verbindungen, die Schutz- oder Aktivierungsfunktionen bieten, Stabilisatoren, Verstärker, Modifikatoren, Sensibilisatoren, Koagulanzien, Feuchthalte- und Trocknungsmittel, Indikatoren und viele andere mehr…

All diese funktionellen Moleküle spielen eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Endeigenschaften von Materialien, Produkten oder hinsichtlich der Prozessierungsbedingungen bei deren Herstellung. Trotz der großen Bedeutung solcher funktionellen Substanzen, sind diese den meisten Konsumenten unbekannt und deren Rolle wird regelmäßig unterschätzt. Sie wirken „im Hintergrund“, ihr Mengenanteil ist meist gering und ihre Funktion ist in der Regel für den Endanwender, der die besonderen Materialeigenschaften nutzt, nicht offensichtlich.

Eine besondere Klasse dieser “Aschenputtel-Moleküle” sind die sogenannten “latenten Basen”. Was bedeutet das konkret? Eine Base ist bekanntlich eine Verbindung, die in Wasser einen pH-Wert >7 generiert; aber was bedeutet „latent“?

Eine „latente Base“ ist im wesentlichen eine Form einer geschützten Base, die in der blockierten Form den pH-Wert nicht beeinflusst. Sobald die Schutzgruppe aber entfernt wird, entsteht eine „richtige“, wirksame Base. Diese Entschützung wird durch einen spezifischen Initiator getriggert.

Wofür benötigt man solch eine Verbindung? Die Antwort ist offensichtlich: Immer, wenn man eine Reaktion durch eine (starke) Base initiieren oder beschleunigen möchte, aber der Zeitpunkt dieses Reaktionsstarts irgendwann, aber klar definiert, in der Zukunft, lange nach Zufügen der potentiell wirksamen Base, liegt.

Damit ermöglicht eine solche latente Base die Vorbereitung von Reaktionsmischungen, die erst dann reagieren, wenn die Schutzfunktion zu einem klar definierten Zeitpunkt in der Zukunft entfernt wird. Das ist verständlicherweise ein recht bedeutendes Werkzeug zur Prozesskontrolle bei der Umwandlung von Rohmaterial zu Endprodukten. Der Anwender muss nicht mit starken Basen hantieren und sich über Stöchiometrien Gedanken machen. Es ist nur noch die Schutzgruppe zu entfernen und damit die Kraft der bis dahin „verborgenen“ Base freizusetzen.

Es bleibt die Frage: Wie leicht gelingt diese Schutzgruppen-Entfernung? Wie kann der Trigger ausgelöst werden? Bei „photolatenten Basen“ steckt die Antwort bereits im Namen: Man muss lediglich gezielt Licht einsetzen, um die Startmaterialien zur Reaktion zu bringen. Die Energie der Strahlung bricht die kovalenten Bindungen zwischen einer basischen funktionellen Gruppe (meist Aminen) und der Schutzgruppenkomponente. Die Base wird frei, der pH-Wert steigt und bis dahin verhinderte Reaktionen setzen ein. Eine solche typische Reaktion kann die Polymerisation sein, die zu einem neuen (festen) Kunststoff führt.

Die Verwendung von Licht als Stimulanz für die Entschützung (eine Alternative wäre zum Beispiel „Wärme“) hat den Vorteil der sogenannten „spatiotemporalen“ Kontrolle. Das bedeutet, man kann neben dem Zeitpunkt auch die räumliche Auflösung durch gezielten Einsatz der Strahlung steuern. Das gestattet eine Zeit-Raum-aufgelöste Kontrolle des Polymerisationsprozesses und damit die Möglichkeit der Herstellung von definierten Strukturen.

Wenn man derartige Polymerisations-Optionen hat, ergeben sich eine Vielzahl von naheliegenden Anwendungen:

Solche Mischungen aus Startmaterialien und photolatenter Base können für Zahnfüllungen, für Farbstoffe in der Druckindustrie, für Beschichtungen von Karosserieteilen, für Schutzschichten auf Holzprodukten (Furniere) oder auf Papier, für „selbstheilende“ Lacke sowie für eine Vielzahl von Anwendungen in der 3D-Drucktechnik genutzt werden. Die Möglichkeit, Licht als Trigger zu verwenden macht diese konkreten photolatenten Basen noch wertvoller: Licht kann bekanntlich fokussiert werden; seine Intensität, Wellenlänge und Richtung kann gut und gezielt gesteuert werden. Damit erfolgen die gewünschten Reaktionen präzise am adressierten Ort zu einem definierten Zeitpunkt.

Diese Eigenschaften bahnen den Weg für hochselektive Polymerisationen und damit für definiert strukturiertes Material. Das Grundprinzip der Reaktion ist in der folgenden Abbildung dargestellt[1]:

ChiroBlck: Optimized Route to a Photolatent Base

[1] K. Dietliker et. al.; Polym. Chem., 2022, 13, 1169–1176

Die starke Base DBN wird zunächst von der photolabilen Benzylgruppe geschützt. Die Energie des Lichtes bricht die Benzyl-N – Bindung und generiert damit einen pKs-shift von ~ 6 Einheiten! Einige praktische Anwendungen dieser Base – zusammen mit speziellen Bedingungen der Aktivierung – sind in der gleichen Publikation beschrieben.

Trotz der vielversprechenden Eigenschaften dieser latenten Base gibt es ein Problem, welches bisher deren breite industrielle Anwendung verhindert: Solche Basen (z.B. SCD-PLB-090 wie im Bild dargestellt) sind nicht in größerer Menge kommerziell erhältlich. Das galt zumindest bis vor kurzem. Während also einerseits ein großer Bedarf in vielen Zielindustrien prinzipiell vorhanden ist, war die Herstellung von SCD-PLB-090 bisher einfach zu aufwendig und folglich zu teuer.

Diese Diskrepanz zwischen einerseits großem Marktpotential und andererseits fehlender Verfügbarkeit begründete eine Zusammenarbeit zwischen den Firmen SCD Dr. Sommerlade Chemistry Design GmbH und der ChiroBlock GmbH vor etwa zwei Jahren.

Dr. Sommerlade und sein Team hatten bereits viel Erfahrungen mit der Prozessentwicklung zu dieser latenten Base und mit deren möglicher Vermarktung gewonnen. Sie entwarfen zudem ein neues, deutlich effizienteres Verfahren, welches in einem deutlich günstigeren Produkt resultierte. Allerdings fehlte der Zugang zu Synthesekapazitäten – sowohl für weitere Optimierungen im Labormaßstab als auch für die Synthese in größeren Anlagen. Damit fehlten die Grundlagen für die Erarbeitung eines robusten, kostengünstigen und skalierbaren Syntheseprotokolls.

Diese „Lücke“, diese Anforderungen passten sehr gut zum Firmenprofil von ChiroBlock. Mit deren mehr als 20-jähriger Erfahrungen auf dem Gebiet der angewandten Syntheseentwicklung und einem talentierten Team von Synthesechemikern, erwies sich ChiroBlock als die ideale Ergänzung zu SCD.

Während der vergangenen zwei Jahre haben wir gemeinsam ein neues Syntheseprotokoll erarbeitet, welches dann in 2022 validiert und skaliert werden konnte. Die Herstellungskosten für das Produkt sind nun bereits im unteren kg-Maßstab deutlich reduziert (<50% ggü. dem ursprünglichen Laborprotokoll). Teure Operationen – wie Hydrierungen oder Destillationen – konnten durch günstigere ersetzt werden. Giftige Lösungsmittel und Reagenzien wurden durch gefahrlosere ersetzt. Schließlich wurde der ursprünglich mehrstufige Prozess mit der Notwendigkeit, mehrere Intermediate zu isolieren und zu reinigen, auf ein Zweistufenverfahren vereinfacht, welches PLB-090 in guten Ausbeuten und mit hinreichend hoher Reinheit ergibt.

Diese positiven Ergebnisse ermöglichen es nun, diese vielseitig einsetzbare Substanz den Kunden zu einem wettbewerbsfähigen Preis anzubieten. Wegen der guten Skalierbarkeit der Synthese, können wir darüber hinaus perspektivisch das Produkt in jedem beliebigen Maßstab liefern. Das sind nicht nur gute Nachrichten für bereits bestehende Kunden und Interessenten, sondern auch für die gesamte F&E-Landschaft und Industrie auf dem Gebiet der Hochleistungs- und Spezialpolymere.

Darüber hinaus belegt das Ergebnis die Effizienz und Qualität unserer bilateralen Zusammenarbeit. Es ist ein gutes Beispiel dafür, dass solche Kooperationen zwischen SCD und ChiroBlock sowohl technische als auch marktbezogene Fragestellungen durch die Kombination von Ressourcen, Fähigkeiten und Erfahrungen erfolgreich adressieren können.

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