Von akademischer Forschung zur Auftragssynthese
Ich bin Matthias Henrot und ich möchte Sie heute auf eine kleine Reise durch meine bisherige Karriere mitnehmen. Eine Reise von Frankreich nach Deutschland, von akademischer Forschung hin zu kommerzieller Auftragssynthese, von einer Welt der herausfordernden Wissenschaften in eine Welt der wissenschaftlichen Herausforderungen. Anders gesagt: Nicht nur das Klima änderte sich, auch und vor allem meine tägliche Arbeit. Die zuvor eher freie, spielerische Herangehensweise musste nun den Anforderungen der realen Wirtschaft weichen.
Meine Karriere begann ich mit meiner Doktorarbeit über die Totalsynthese eines Naturstoffs namens Aureothin im Labor der Universität Rouen in Frankreich. Die Erforschung einer Totalsynthese eines komplexen Naturstoffs, gleicht einer nicht enden wollenden Reise mit vielen Umwegen, Abwegen und Zwischenstopps. Jede Stufe der Synthesesequenz könnte man so gesehen mit einzelnen Stationen einer Städtereise vergleichen. Während man mit Muße auch durch die kleinen Gassen einer neuen Stadt schlendert, lernt man alles über deren Kultur, Architektur und ihre berühmten Kinder. Man verirrt sich vielleicht einmal aus Versehen in eine dunkle Ecke der Stadt, aber man weiß dann zukünftig welche Straßen man besser nachts meiden sollte. Man verbringt viel Zeit damit die Stadt kennenzulernen, bevor man sich in die nächste aufmacht.
Genauso verhält es sich auch mit den einzelnen Reaktionsstufen der Syntheseroute. Man verbringt viel Zeit damit, alles über die am besten geeigneten Reaktionsbedingungen, Lösemittel und Trennverfahren zu lernen und das für jede einzelne Stufe. Man erleidet Fehlschläge mit unkooperativen Reagenzien und unpassenden Katalysatoren, lernt also auch die Schattenseiten kennen. Und tatsächlich ist es sehr wichtig am Ende eine elegante und effiziente Synthese zu kreieren, um die Chancen auf eine Publikation zu steigern. So nahm ich mir nahezu sechs Monate Zeit eine einzige Reaktion zu optimieren, um die bestmögliche Ausbeute auf dieser Stufe zu erzielen.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt universitärer Forschung ist der kleine Maßstab und damit auch die geringe Menge der benötigten Startsubstanzen. Ich habe nie eine Reaktion mit mehr als 10g durchgeführt, und selbst das ist für akademische Forschung schon viel. Durch die finanziellen Zwänge der Universität habe ich meine Reaktionen im Maßstab von 10 bis 100mg optimiert. Als ich am Ende meiner Forschung endlich mein Zielmolekül erhalten hatte, waren es nicht mehr als 10mg, aber das war ausreichend für die notwendige Analytik und die Publikation. Tinte wurde auf Papier gebracht und einige Dateien erstellt, die ihren Weg schließlich in die wissenschaftlichen Datenbanken dieser Welt fanden.
Toll, und nun? Rechtfertigen die gewonnen extrem detaillierten und feingliedrigen Informationen samt der vagen Annahmen über deren Wert, sowie ein paar Milligramm umgewandelter Moleküle all den Aufwand, all die Arbeit?
Mit meinem Doktortitel in der Hand verließ ich die französische Atlantikküste mit ihren atemberaubenden Aussichten und machte mich auf den Weg in Richtung des nebligen Horizonts, Richtung Deutschland. Im platten, durchstrukturierten Norddeutschland arbeitete ich nacheinander an zwei post-Doc-Stellen, eine war an der TU Dortmund und eine an der FU Berlin. Auf diesen beiden Positionen arbeitete ich wieder an Totalsynthesen zu Derivaten von Naturstoffen. Die Arbeitsweisen und Methoden blieben dabei weitgehend gleich. Viel Zeit wurde der Optimierung gewidmet und die überwiegende Mehrheit der Reaktionen fand im kleinen Maßstab statt. Doch bereits hier stellte ich eine Veränderung fest: Der Aufwand musste gerechtfertigt werden. Die Produkte wurden nicht nur wegen Ihrer Schönheit und Eleganz hergestellt, sie sollten auch ein bestehendes Problem in der realen Welt lösen.
Mit nun ausreichend wissenschaftlicher Erfahrung fühlte ich mich bereit, in bisher unbekannte, industrielle Welten aufzubrechen. Daher wurde ich Synthesechemiker bei ChiroBlock. Im Geschäft mit Auftragssynthesen und Auftragsforschung kamen dann doch ganz neue Erfordernisse ins Spiel, wobei das Ziel das gleiche blieb: Synthese eines gewünschten Moleküls. Allerdings war das Zielprodukt in einer vom Kunden geforderten Qualität und Menge innerhalb einer eng gesetzten Frist zu liefern. So wie ich es an der Universität gelernt hatte, optimierte ich perfektionistisch jede einzelne meiner Reaktionen. Bis mir schließlich gesagt wurde: „Deine Zeit ist kostbar. Vergeude sie nicht mit Spitzfindigkeiten und Verfeinerungen, sondern behalte die Controllingdaten und die Verwendbarkeit deiner Ergebnisse im Blick!“
Im Gegensatz zur akademischen Welt, wo man besondere Aufmerksamkeit auf die Kosten der Chemikalien legt, sind in der Wirtschaftswelt die Arbeitsstunden der Kostenfaktor Nummer 1. Ich lernte, dass manchmal ältere Syntheseansätze viel robuster sind und häufig bessere Ergebnisse bringen als die neusten, „fancy“ F&E Erkenntnisse. Ich lernte jeden Tag ein bisschen mehr dazu und konnte bald die nächste Herausforderung angehen: „Den Maßstab“.
Bisher war ich es gewohnt mit winzigen Milligramm-Mengen in kleinen Milliliter-Gefäßen zu arbeiten, so benötigte ich bereits in einem meiner ersten Projekte bei ChiroBlock 300g Startmaterial in einen 6-Liter-Kolben und führte die Aufarbeitung schließlich in einem 10-Liter-Gefäß durch. Indessen fühlte ich eine bisher unbekannte Motivation: Meine Arbeit, die Moleküle, die ich synthetisierte, selbst die Gedanken und die wissenschaftliche Arbeit mit der ich mich befasste, hatten Einfluss auf die reale Welt! Produkte und Anwendungen wurden verbessert. Kunden waren zufrieden und am Ende des Tages wusste man, dass es doch sinnvoll war zeitig aufgestanden zu sein.
Das war mit Sicherheit die größte Veränderung von der akademischen zur industriellen Welt. Die französische Kultur durch ein Leben in Deutschland zu ersetzen, hat sicherlich auch beim notwendigen Umdenken vom Akademisch-sophistischen ins Kommerziell-effiziente geholfen. Andererseits bin ich zuversichtlich, dass mein kultureller Hintergrund und meine Mentalität einen Mehrwert für ChiroBlocks Problemlösungskompetenz darstellen. Manche chemischen Herausforderungen benötigen die Art von Phantasie und Sophismus, der nur mit Blick auf den Horizont entsteht, der vage Atlantik vom französischen Himmel trennt.
Meine - wenn auch nicht neue - jedoch klare Botschaft: Schau dich um, lerne neue Ideen und Fakten kennen und übernimm stets das Beste davon. Halte dich nicht an überholten Gewohnheiten fest, doch vergiss auch nie deine Wurzeln und die wertvollen Aspekte deiner Vergangenheit!